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02.06.2008, 13:41 Uhr - Alter: 16 Jahre

Integration behinderter Kinder an Regelschulen – ist Dresden „auf Kurs“?

Aus KOMPASS 3/08

Am 5. Mai haben wir uns an der Unterschriftensammlung für eine Ratifizierung der UN-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Rechte behinderter Menschen beteiligt. Das war erfolgreich und somit wird sich Deutschland dazu verpflichten, die nationale Gesetzgebung so auszurichten, dass Menschen mit Behinderungen als gleichberechtigte Bürger anerkannt werden. Der Artikel 24 der Konvention verpflichtet, behinderten Kindern eine gemeinsame Beschulung mit nicht behinderten Kindern zu ermöglichen. Deutschland ist mit einer Integrationsquote von 13% noch weit davon entfernt, die Vorgaben des Artikels 24 zu erfüllen. Trotz zahlreicher Absichtsbekundungen ist es bisher nicht gelungen, mehr behinderte Kinder mit individueller Förderung in Regelschulen zu unterrichten. Die Integrationsquote in Deutschland ist nach wie vor eine der niedrigsten in Europa. Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen appelliert daher an die Länder, in die gemeinsame Beschulung behinderter und nicht behinderter Kinder zu investieren. Denn: In einer Wissensgesellschaft, im 21. Jahrhundert, darf die Parole "Kein Kind bleibt zurück!" keine Floskel bleiben. Individuelle Förderung ist der zentrale Schlüssel gegen Diskriminierung und für mehr Qualität in der Bildung.

 

Eine Voraussetzung ist dabei sächlicher Art. Schulen müssen barrierefrei gestaltet werden. Da verzeichnen wir in Dresden eine Entwicklung und können hiermit weitere Fortschritte vermelden:

Die Genehmigung des Dresdner Schulnetzplanes, den der Stadtrat Ende 2006 beschlossen hatte, erfolgte 2008 durch das Sächsischen Staatsministeriums für Kultus. Damit wurde Planungssicherheit für die nächsten Jahre geschaffen. Zum Sommer 2008 bedeutet das, dass die Standorte der verbleibenden 68 Grundschulen, 27 Mittelschulen und 15 Gymnasien bis auf wenige Ausnahmen sicher sind. Grundsätzlich wird damit auch Förderungen und Sanierung von Schulbauten möglich.

Die Gründung des Gymnasiums Bürgerwiese ist bestätigt. Damit erhöht sich die Zahl der kommunalen Gymnasien wieder auf 15 (zuzüglich Abendgymnasium). Die vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus vorgeschlagene Umnutzung vorhandener Schulgebäude für Gymnasien wird seitens der Landeshauptstadt Dresden äußerst kritisch beurteilt, da die Umnutzung vorhandener Schulgebäude ebenfalls mit baulichen Maßnahmen verbunden ist. Die Investitionskosten erreichen in der Regel die vergleichbaren Neubaukosten, insbesondere nach längerem Leerstand. Wir erwarten somit einen behindertengerechten Neubau an einem attraktiven Standort.

Der Freistaat Sachsen bewilligte Fördermittelanträge für den Umbau und die Modernisierung des Julius-Ambrosius-Hülße-Gymnasium sowie für den Neubau einer Dreifeldturnhalle mit Sportfreianlage. Das Bauvorhaben umfasst den Umbau der beiden im Schulhaus liegenden Turnhallen mit den dazugehörigen Nebenräumen. Durch den Einbau neuer Geschossebenen wird der erforderliche Raumbedarf für das 4,5-zügige Gymnasium sicher gestellt. Gleichzeitig werden in allen Unterrichtsräumen sowie in der Mensa Akustikdecken eingebaut. Das gesamte Gebäude wird durch den Einbau eines Personenaufzuges barrierefrei erschlossen. Der Neubau einer Dreifeldsporthalle mit entsprechenden Sportfreianlagen rundet den Schulstandort ab, der auch für den Freizeit- und Vereinssport zur Verfügung gestellt wird. Baubeginn für die Schulsporthalle ist im Februar 2009. Nach Abschluss der Bauarbeiten beginnen im Februar 2010 die Umbaumaßnahmen am Schulgebäude.

Die alte, marode Schulsporthalle der 25. Grund- und Mittelschule wird durch einen funktionalen und zeitgemäßen Zweifeldturnhallenneubau ersetzt. Zusätzlich wird die Halle auf die besonderen Erfordernisse des Behinderten-Vereinssports ausgerichtet. Die Sportfreianlagen werden ertüchtigt. Das Schulgebäude wurde zwar grundlegend im Jahr 2000 saniert - leider nicht behindertengerecht. Baubeginn für den Ersatzneubau der Schulsporthalle ist im Juli 2008. Die Nutzungsübergabe erfolgt zum Schuljahr 2009/10.

Mit der komplexen Instandsetzung der 93. Grundschule entsteht ein zeitgemäßer, dreizügiger Grundschulstandort, der zudem den besonderen Anforderungen der Hortnutzung Rechnung trägt. Durch den Einbau eines Personenaufzuges werden die Anforderungen an eine barrierefreie Erschließung des Schulgebäudes umgesetzt. Der Baubeginn ist für Februar 2009 und die Nutzungsübergabe zum Schuljahr 2010/11 geplant. Geplant ist weiter, die alte Tonnenturnhalle durch einen modernen Ersatzneubau an gleicher Stelle zu ersetzen.

Das Vitzthum-Gymnasium befindet sich derzeit in Sanierung und wir gehen ab Herbst 2010 (geplante Durchführung ist ab September 2008 bis Juli 2010) von einem barrierefrei gestalteten Schulstandort aus.

Das Romain-Rolland-Gymnasium zieht wegen Sanierung in den Sommerferien 2009 von der Weintraubenstraße 3 in das ehemalige Wustmann-Gymnasium. Nach einer Bauzeit von zwei Jahren wird das Romain-Rolland-Gymnasium ein moderner und sicher ein attraktiver barrierefreier Schulbau sein.

Liebe Leser, allein an diesen Neuigkeiten und unseren Berichten im KOMPASS 2/07 + 4/07 + 2/08 bemerken Sie, dass man barrierefreie Standorte in Dresden für Gymnasien findet, manchmal auch an Grundschulen. Die behindertengerechte 6. Mittelschule schließt zum Schuljahresende 2007/2008 und die behindertengerecht sanierte 101. Mittelschule nimmt die Integrationsschüler ab Schuljahr 2008/2009 auf. Es bleibt in den nächsten Jahren innerhalb der Dresdner Regelschulen bei einer! behindertengerechten Mittelschule in Dresden. Integration? Wahlmöglichkeiten? Weder für körperbehinderte Schüler noch für Eltern mit Behinderung! Schon da erkennen wir dringenden Handlungsbedarf seitens der Stadt und des Landes.

Der Behindertenbeirat unserer Stadt beschreibt die Situation nach der jährlichen Berichterstattung zur Behindertenhilfe durch das Schulverwaltungsamt noch drastischer:

Das Schulverwaltungsamt stellte dar, mit welchem Engagement die barrierefreie Zugänglichkeit verschiedener Bildungseinrichtungen in Dresden betrieben wird – allerdings bezieht sich diese in erster Linie auf die Zugänglichkeit für körperbehinderte Menschen und nicht auf die Bedürfnisse sinnesbehinderter (insbesondere hörbehinderter) Schüler.

Eine wohnortnahe integrative Beschulung ist nur selten möglich – meist sind besondere „Integrationsschulen“ dafür ausgewiesen. Ein Konzept zur Umsetzung der Leitlinien – integrative Beschulung behinderter Schüler ist im Schulnetzplan nicht ersichtlich, es fehlen kurz-, mittel- und langfristige Strategien. Eltern, welche integrative Beschulung für ihr Kind erreichen wollen, finden kein adäquates Beratungsangebot dazu, Unterstützung und Begleitung der Eltern sowie der an der Integration beteiligten Lehrkräfte stehen oftmals nicht ausreichend zur Verfügung bzw. fehlen bei einzelnen Behinderungsarten ganz. Daraus ergeben sich Erwartungen für die Maßnahmeplanung.

Zur Erarbeitung eines Konzeptes zur Umsetzung integrativer Beschulung entsprechend der UN-Konvention ist es zwingend erforderlich, dass eine kontinuierliche Zusammenarbeit aller Beteiligten erfolgt: Schulverwaltungsamt, Bildungsagentur und Sozialamt. Es wird erwartet, dass in einer kurz- und in einer mittelfristigen Strategie bis zum Jahresende dargestellt wird, wie integrative Beschulung behinderter Kinder und Jugendlicher umgesetzt werden soll. Dabei sind auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss eine kompetente Beratung und Unterstützung der Eltern in diesem Prozess sichergestellt werden.

Annett Hanicke


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