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02.06.2004, 13:21 Uhr - Alter: 20 Jahre

Congress Center der Peinlichkeiten - Teil I (aus KOMPASS 4/04)

Nachdem Ende Mai die Eröffnung des Internationalen Congress Center Dresdens mit Lobeshymnen überschwänglich in der Tagespresse gefeiert wurde, wollten wir uns dieses Bauwerk zum Tag der offenen Tür am Pfingstsonntag ebenfalls ansehen. Wir als Rollstuhlfahrer waren natürlich sehr gespannt, welche originellen Lösungen für eine barrierefreie Nutzung des Gebäudes gefunden wurde.

Beschwerlich kamen wir zunächst über die holprige Pflasterung bis zur für uns beängstig wirkenden Treppe am Haupteingang. Dort suchten wir vergeblich nach einer Zugangsmöglichkeit. Obwohl uns sogleich freundliches Servicepersonal zu Hilfe eilte, konnte es uns jedoch keine genaueren Auskünfte geben. Nur der Hinweis kam, dass wir uns an der linken Seite bei der Tiefgarage melden müssten. Durch Zufall entdeckten wir aber schon eher eine offene Tür und berollten nun das Haus. Aber wieso mussten wir in einem neu gebauten Gebäude schon wieder mal den Dienstboteneingang benutzen und konnten nicht wie alle anderen den Haupteingang nehmen? Das sagt uns sehr deutlich: Hier sind wir nicht willkommen!

Wir fanden gleich einen Fahrstuhl, der zumindest auf den ersten Blick behindertengerecht erscheint, und kamen in der Foyerebene an. Erschreckend fanden wir, dass sämtliche Treppen frei im Raum standen und alle Personen Gefahr liefen, sich an diesen zu verletzen. Sitzgruppen unterhalb der Treppen wurden so positioniert, dass man sich beim Aufstehen den Kopf unweigerlich stoßen musste. Für Blinde und hochgradig Sehbehinderte ist diese Situation geradezu katastrophal. Nur über das Foyer gelangt man in die Saalebene – als Rollstuhlfahrer jedoch nicht so ohne weiteres. Denn wie überall im Haus - der Architekt scheint ein Treppenliebhaber zu sein - sind auch hier Stufen, Stufen, Stufen.

Damit wir als Rollstuhlfahrer nicht zu offensichtlich ausgegrenzt sind, wurden an drei Stellen so genannte Treppenschrägaufzüge eingebaut. Diese Aufzüge sind als Alternative in einem be­stehenden Gebäude einsetzbar, wenn dort aus baulicher Sicht kein normaler Aufzug oder evtl. Rampen möglich sind. Nie hätten wir diese „Lösung“ in einem neu gebauten sowie international genutzten Gebäude erwartet. Erwähnen müssen wir zusätzlich, dass man immer eine Person des Hauses benötigt, um einen Treppenschrägaufzug überhaupt nutzen zu können. Er muss mittels Schlüssel frei geschaltet und in die gewünschte Ebene herangeholt werden. Das hat jedoch nichts mit Selbstbestimmung oder Gleichberechtigung zu tun! Abgesehen davon, während der Benutzung versperrt man den Zugang der Treppe und fühlt sich wie auf den Präsentierteller.

Nun wollten wir auf die angepriesene Terrassenebene. … Auf der Terrassenebene angekommen, kam der nächste Schock. Eine gigantische Neigung über die gesamte Ebene machte das Fahren mit dem Rollstuhl zur Qual. Lediglich in der oberen Ebene innerhalb des Gebäudes gab es gerade Flächen, auf denen wir uns ausruhen konnten. Diese Flächen sind auch überStufen verbunden, die wegen fehlender Kontrastunterschiede schwer erkennbar sind. Ebenso ist uns aufgefallen, dass alle Theken im Haus keine Bereiche haben, an denen Rollstuhlfahrer oder kleinere Menschen diese zweckentsprechend nutzen können.

Auf dem Weg zum eigentlichen Haupteingang, und für uns die einzige Möglichkeit auf die Freiterrasse zu gelangen, kamen wir richtig in Fahrt und hofften auf gute Bremsen an unseren Rollstühlen. Wiederum die Freiterrasse eine einzige qualvolle Schräge, ohne jegliche Absätze zum Kraft schöpfen. Wie man sich dreht und wendet, man steht immer schräg.

Mehrmals wurden wir angesprochen, wie wir denn überhaupt auf diese Terrasse gelangen konnten. Denn auch gehbehinderte Menschen wollten vermei­den, die große steile Freitreppe zu benutzen, um auf sicherem Wege nach unten zu gelangen. Genau so fragen wir uns, wie Rollstuhlfahrer, gehbehinderte Personen und Eltern mit Kinderwagen auf die Terrasse gelangen, wenn das Congress Center geschlossen ist? …

Leider haben wir bei diesem Besuch nicht alles gesehen. So waren wir nicht in der Gaststätte und wissen auch nicht, wie es in der Tiefgarage mit Parkplätzen für behinderte Menschen aussieht. Den Zugang in die Tiefgarage mittels Fahrstühle haben wir einfach nicht entdecken können. Übrigens, auch außerhalb des Gebäudes befanden sich keine Parkplätze für behinderte Menschen.

Der Oberbürgermeister Dresdens sagte zur Sportler Gala am 15. Mai 04, dass man mit diesem Congress Center nun in der 1. Liga der Kongressstädte mitspielt. Wir denken, dafür muss es sich erst einmal bewähren. Doch die Beteiligung beim behindertengerechten Bauen in der „1. Liga der baulichen Peinlichkeiten“ müssen wir bereits heute schon bestätigen.

Wir haben den Eindruck, der Architekt hat von barrierefreien Bauen noch nie etwas gehört. Da eine Sächsische Bauordnung ein Gesetz ist, fragen wir uns: Wie und wann werden diese gravierenden Gesetzesverstöße geahndet?

(Der Text wurde als Leserbrief verfasst und an alle Tageszeitungen versandt – hier in leicht gekürzter Version.)

Ute & Joachim Müller

Anmerkung der Redaktion:
Leider erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe wird es mit Vertretern unseres Verbandes sowie ausgewählten Personen eine weitere Vorort-Besichtigung geben. Angeboten wurde diese vom Chef des Congress Centers Herrn Riegger in einem Zeitungsbericht als Reaktion auf diesen Leserbrief in den Dresdner Neuesten Nachrichten.


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