Das schönste Gefühl der Welt

Mein Mann und ich kennen uns seit 10 Jahren. Wir sind seit 7 Jahren ein glückliches Paar, haben 2010 geheiratet. Ein Kind war schon immer mein sehnlichster Wunsch. Im Herbst 2011 war es dann soweit. Der schönste Moment in meinem Leben, ich hielt unseren Sohn in den Armen.

Alle in der Familie haben sich über die Nachricht sehr gefreut, besonders meine Mutter und meine Schwestern. Für manche wurde ich aber doch recht unerwartet Mutter. Sie hatten nie damit gerechnet, dass ich mit meiner Behinderung Kinder zur Welt bringen kann. Umso stolzer fühlte ich mich, als unser Sohn gesund und munter auf der Welt war.

Meine Schwangerschaft verlief normal. Wir hatten uns aus eigenem Entschluss vorher über genetische Risiken beraten lassen, waren aber entschlossen, auch ein behindertes Kind unter allen Umständen zur Welt zu bringen. Meine Gynäkologin hat mich sehr gut durch die Schwangerschaft begleitet, hatte immer ein offenes Ohr für mich. Mir wurden keine besonderen Tests oder eine Diagnostik speziell aufgrund meiner Behinderung aufgedrängt. Sorgen machte ich mir wegen der Entbindung, weil mein Rücken infolge von Operationen für eine normale Geburt nicht stark genug ist. Es ging also nur mittels Kaiserschnitt, der bei mir leider auch nur unter Vollnarkose, nicht unter Lokalanästhesie möglich ist.

Für die Entbindung suchte ich mir erst das unserer Wohnung nächstgelegene Krankenhaus. Der dortige Narkosearzt beschrieb mir die möglichen Komplikationen regelrecht beängstigend. Daher haben wir das Krankenhaus gewechselt. Frau Dr. Hensel empfahl das Diakonissenkrankenhaus. Der Narkosearzt dort sah keinen Grund, weshalb die Narkose bei dem kurzen Eingriff ein überdurchschnittliches Risiko bedeuten würde. Er beruhigte mich und gab mir ein sicheres Gefühl.

Als ich dann nach der Operation aufwachte und mein Kind in den Armen hielt, fühlte ich mich wie neugeboren. Wir bekamen ein Familienzimmer, erlebten dort die ersten und schönsten Tage mit unserem Sohn zu dritt. Im Krankenhaus konnten wir uns mit Unterstützung der Schwestern in die Babypflege einarbeiten, hatten uns auch vorab kundig gemacht und viel erlesen. Nach einer Woche nahmen wir unseren Schatz endlich mit nach Hause. Wir genießen die Zeit mit ihm. Bisher macht er uns das Leben recht einfach. Er hat brav getrunken und regelmäßig geschlafen, ist bisher pflegeleicht, gesund und munter.

Wir hatten die Befürchtung, dass es finanziell eng werden könnte und wir vielleicht Unterstützung vom Sozialamt benötigen. Manche Leute haben auch gesagt, dass es „asozial“ wäre, ein Kind in die Welt zu setzen und sich dann auf das Sozialamt zu verlassen. Zum Glück stehen wir nach wie vor auf eigenen Beinen, obwohl ich wegen meiner Behinderung trotz zahlreicher Bewerbungen, Praktika usw. bis heute nie eine feste Arbeitsstelle bekommen habe. Vor meiner Schwangerschaft hatte ich mir viele Gedanken darüber gemacht, wie ich als gehbehinderte Mutter mit meinem Kind zurechtkommen würde. Somit habe ich vorab viele Anträge auf verschiedene Unterstützungen gestellt. Allerdings fast immer umsonst. Es gibt für uns in dieser Hinsicht keine akzeptable Unterstützung. Das Sozialamt fordert z.B. zunächst, dass meine Familie die Unterstützung finanziert. Das will ich natürlich als erwachsene und verheiratete Frau nicht. Außerdem wurden wir darauf verwiesen, dass mein Mann (gerade) genug verdienen würde, um über die Runden zu kommen. Dadurch fühlen wir uns benachteiligt, weil wir mehr für Hilfe im Alltag, behindertengerechte Möbel usw. ausgeben müssen als andere Paare. Gleichzeitig müssen wir mit einem Einkommen zurechtkommen und sehr hohe Sozialabgaben bezahlen, weil mein Mann selbständig ist. Obwohl mein Mann aufgrund seiner Tätigkeit voll rentenversicherungspflichtig ist und uns bei der Krankenkasse außerdem freiwillig gesetzlich oder privat versichern muss, setzt das Sozialamt sein Bruttoeinkommen als Maßstab an, nicht wie bei einem Angestellten das Nettoeinkommen. Ich beziehe auch kein Elterngeld, wie das bei Doppelverdienern der Fall ist, weil ich wegen meiner Behinderung nie eine feste Arbeitsstelle gefunden habe.

Im Alltag bräuchte ich eigentlich Assistenz zur stundenweisen Unterstützung, z.B. bei Spaziergängen, Einkäufen, Arztterminen usw. Für eine solche Hilfe gibt es aber kein Programm. Deshalb haben wir beim Rathaus einen Antrag auf eine Tagesmutter gestellt, die zu mir nach Hause kommen sollte. Diese Maßnahme beinhaltet aber eine Hilfe bei der Erziehung. D.h., die Tagesmutter greift in meine erzieherischen und pflegerischen Entscheidungen ein. Diese Maßnahme ist eigentlich für Eltern konzipiert, die mit der Erziehung überfordert sind und ihre Kinder vernachlässigen. Ich brauche aber nur jemanden, der mir assistiert, um meine körperliche Behinderung auszugleichen. Ich kann und will natürlich immer selbst entscheiden, wie ich mein Kind pflege und erziehe - wie jede andere Mutter auch. Aus diesem Grund habe ich diese Maßnahme dann abgebrochen. Was ich machen kann, mache ich selbst; bei den übrigen Arbeiten unterstützt mich mein Mann. Klar, manches fällt mir ungleich schwerer und erfordert viel mehr Zeit und Kraft als Müttern ohne Behinderung. Schade, dass diese Nachteile nicht anerkannt und durch Unterstützung ausgeglichen werden

Wir haben begonnen, uns nach Kindergärten zu erkundigen, auch wenn wir unser Kind vorläufig noch nicht dorthin geben wollen. Es ist ein Problem, Kindergärten zu finden, die ich mit dem Rollstuhl gut erreichen kann und die auch barrierefrei sind. Kürzlich haben wir einen mit einer Rollstuhlrampe besucht. Man stelle sich vor: Die Rampe soll im Zuge einer Sanierung ersatzlos abgerissen werden!

Wir sind auch auf der Suche nach einer größeren Wohnung. Ich brauche Platz für meine Rollstühle, denn ich habe nun einen Elektrorollstuhl beantragt. Mit meinem Kind auf dem Schoß kann ich mich nicht über größere Strecken von Hand fortbewegen. Selbst wenn man viel Geld investiert, ist es in Dresden schwierig, für uns eine barrierefreie Wohnung zu finden, von der aus auch Straßenbahn, Geschäfte, Schulen und Kindergärten mit dem Rollstuhl gut erreichbar sind.

Meine Empfehlung an alle Behinderten, die ein Kind haben wollen, lautet trotzdem: Traut Euch. Es ist das schönste Gefühl der Welt. Es ist nicht immer einfach, aber Probleme sind dazu da, dass man sie löst. Man darf sich nicht einschüchtern lassen. Kämpft einfach für Euren Wunsch!

Laura